Die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) ist entsetzt über die Pläne der Provinzleitung der Pallottiner zur Schließung der Pflegewissenschaftlichen Fakultät der PTHV. Diese hierzulande erste und bis dato einzige pflegewissenschaftliche Fakultät ist seit geraumer Zeit einer der wichtigen Pfeiler universitärer pflegewissenschaftlicher Ausbildung in Deutschland. Neben dem Bachelor Pflegeexpertise und den Masterstudiengängen Pflegewissenschaft und Community Health Nursing, bietet die Fakultät den für die Zukunft der pflegerischen Ausbildung wichtigen Studiengang Lehramt Pflege an Berufsbildenden Schulen sowie eines der wenigen pflegebezogenen Promotionsprogramme an. Der sofortige Aufnahmestopp für die akademische Ausbildung von Pflegeexpert*innen mit unterschiedlichen Schwerpunkten (von der akademisch fundierten pflegerischen Praxis über die Ausbildung bis zur Forschung), ist ein schwerer Schlag für den allenthalben geforderten Aufbau der Akademisierung in der Pflegepraxis, z.B. im Bereich der Gemeinde-nahen Versorgung. Die Schließung des Promotionsprogramms verstärkt zusätzlich den Mangel an potentiellen Kandidat*innen für die in Zukunft dringend benötigten Forscher*innen und Professuren im Bereich der Pflege. Auch geht mit der Schließung der Fakultät einer der wenigen Standorte universitärer Pflegeforschung verloren. In Konkurrenz zu anderen Disziplinen wie Medizin, Psychologie oder Sozialwissenschaften, fehlen in Zukunft gewichtige potentielle Antragsteller*innen um bei Ausschreibungen zu pflegefachlichen Themen mitbieten zu können.
In Zusammenschau mit der prekären Situation der primärqualifizierenden Pflegestudiengänge an den deutschen Hochschulen, auf die die DGP kürzlich zusammen mit dem Deutschen Pflegerat in einem gemeinsamen Positionspapier hingewiesen hat (https://dg-pflegewissenschaft.de/aktuelles/gemeinsames-statement-dgp-und-dpr-zur-situation-der-primaerqualifizierenden-pflegestudiengaenge-an-den-deutschen-hochschulen), geht die Entwicklung der akademischen Strukturen in der Pflege in die falsche Richtung.
Eine der Begründungen zur Schließung lautet Pflegewissenschaft habe „keine Zukunft“ (https://www.pallottiner.org/gemeinschaft/neuigkeiten). Die Akademisierung der Pflege habe sich, anders als im internationalen Kontext, in Deutschland nicht etabliert und mit Pflegestudiengängen können keine Gebühren erzielt werden. Grundsätzlich muss die Frage erlaubt sein, ob die akademische Ausbildung von Pflegenden in erster Linie Gebühren generieren soll oder ob sie nicht vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Die Schließung der Pflegewissenschaftlichen Fakultät erfolgt zu einer Zeit, in der Pflegewissenschaft und akademisch fundierte pflegerische Versorgung so notwendig sind wie nie. So waren Pflegewissenschaftler*innen der PTHV federführend bei der Entwicklung von Leitlinien zur Sicherstellung von sozialer Teilhabe und Partizipation in stationären und ambulanten Versorgungsarrangements in Zeiten der COVID-19 Pandemie beteiligt. Zukunftsfähigkeit kann auch dem Masterstudiengang Community Health Nursing an der PTHV bescheinigt werden, der erst kürzlich mithilfe einer finanziellen Förderung durch die Robert Bosch Stiftung und der Agnes Karll Gesellschaft etabliert wurde.
Auch für den Nachwuchs der Pflegewissenschaft ist diese Schließung ein dramatisches Zeichen. Mit der Stilllegung der Pflegewissenschaftlichen Fakultät der PTHV wird ein wichtiger Standort für die akademische Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses eliminiert, dies bedeutet eine weitere Verzögerung der deutschlandweiten akademischen Qualifizierung, die letztendlich auch der Qualität der pflegerischen Versorgung zugutekommen kann. Durch den Wegfall des einzigartigen Promotionsangebotes (Dr. rer. cur.) wird die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuches nachhaltig gebremst. Eine wirkliche Weiterentwicklung in der Pflege kann aber nur erfolgen, wenn Ressourcen zur Verfügung stehen und diese Entwicklung auch gesamtgesellschaftlich gewollt und unterstützt wird.
Für die im internationalen Vergleich deutlich verzögerte Etablierung akademischer Strukturen in Pflegepraxis, -lehre und -forschung muss gelten, die hochschulische Aus- und Weiterbildung zu stabilisieren und auszubauen. Die Entscheidung der Pallottiner geht leider in die entgegengesetzte Richtung. Wir fordern daher die Beteiligten auf die Entscheidung zu überdenken. Auch die Politik ist aufgefordert auf eine Revidierung dieser Entscheidung hinzuwirken.
Duisburg, 09.04.2021
Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V. (DGP)
Prof. Dr. Inge Eberl, Vorstandsvorsitzende
Prof. Dr. Sascha Köpke, stellv. Vorstandsvorsitzender
Prof. Dr. Christa Büker, Vorstandsmitglied
Dr. Bernhard Holle, Vorstandsmitglied
Prof. Dr. Annegret Horbach, Vorstandsmitglied
Sektion Nachwuchs Pflegewissenschaft der DGP
Sprecherinnen: Kathrin Müller, Franziska Jagoda
Es macht einen sprachlos! In einer Zeit, wo eher in die strukturelle Entwicklung der Akademisierung investiert werden sollte anstatt mühsam etablierte Strukturen wieder zu zerstören, ist eine solche Entscheidung ein fatales Signal. Und dazu ein weiterer Rückschlag auf dem Weg der Professionalisierung, nach der Abwicklung der Pflegekammer Niedersachsen und der abschlägigen Befragungsergebnisse in Schleswig -Holstein. Gerade von einem kirchlichen Träger würde ich anderes erwarten. Aber es passt in die momentane Zeit, wo gerade auch die Caritas einen einheitlichen Tarifvertrag abgelehnt haben. Immer mehr habe ich den Eindruck es wird viel von Stärkung und Professionalisierung der Pflege geredet, aber die Taten bewirken das Gegenteil. Pflegen kann jeder, Investitionen in Qualifizierung wird als nicht Wertschöpfend gesehen – zurück ins letzte Jahrhundert, wo Pflege eine dienende Aufgabe war. Und das in Deutschland, einem Land was sich als kultiviert, modern, innovativ und fortschrittlich darstellt, es aber nicht ist! Das sieht man ja gerade auch bei der Digitalisierung.