In einem Offenen Brief an die Medizinische Fakultät der Universität Jena vom 31.10.2022 hatten die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V. (DGP) und die Bundesdekanekonferenz Pflegewissenschaft ihr Befremden darüber geäußert, dass für eine Bewerbung auf eine dort ausgeschriebene Professur für Pflegewissenschaften(sic!) ein „abgeschlossenes Studium der Gesundheitswissenschaften oder der Humanmedizin“ vorausgesetzt wird.

Das Antwortschreiben von Prof. Kamradt, des Dekans der Medizinischen Fakultät vom 9.11.2022 lässt keine Auseinandersetzung mit der Kritik erkennen, vielmehr wird weiterhin die kritisierte und offensichtlich inadäquate Mehrzahl der Pflegewissenschaft genutzt und diese als Subdisziplin der „Gesundheitswissenschaften“ eingeschätzt. Darüber hinaus bittet der Verfasser die Unterzeichnenden des offenen Briefs um Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Kandidat:innen. Dies nehmen die DGP und die Bundesdekanekonferenz zum Anlass für einen weiteren Offenen Brief.

Offener Brief der DGP und BDK

Die Antwort des Dekans der Medizinischen Fakultät der Universität Jena auf unseren gemeinsamen Offenen Brief zeigt deutlich, dass der von uns kritisierte Ausschreibungstext kein Versehen war, sondern vielmehr als bewusst gewählter Ausdruck der Haltung der Medizinischen Fakultät der Universität Jena gegenüber der Disziplin Pflegewissenschaft zu werten ist. Wir schließen daraus, dass der Verfasser nicht willens ist, sich grundsätzlich und fundiert mit der Entwicklung der Pflegewissenschaft als eigenständiger Disziplin zu befassen. Dies empfinden wir als Fachgesellschaft und Bundesdekanekonferenz als respektlos.

Da mit keinem Wort auf die geäußerte Kritik an dem Ausschreibungstext eingegangen wird, erscheint die Hauptmotivation des Antwortschreibens die Bestätigung der eigenen Position verbunden mit einer Marginalisierung der geäußerten Kritik zu sein. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass weiterhin von Pflegewissenschaften (als Subdisziplin der Gesundheitswissenschaften) die Rede ist, und somit die Hinweise der entsprechenden Fachgesellschaft als Vertreterin der wissenschaftlichen Disziplin komplett ignoriert werden. Dies zeugt von einem überaus fragwürdigen Verständnis des Austauschs zwischen wissenschaftlichen Disziplinen. Die hierbei offenbarte Haltung gegenüber einer offenbar als subaltern wahrgenommenen Disziplin ist insbesondere vor der in der Stellenausschreibung proklamierten interdisziplinären Zusammenarbeit höchst fragwürdig.

Die abschließende Bitte um Unterstützung bei der Streuung der von uns kritisierten unveränderten Ausschreibung, muss angesichts des gesamten Vorgangs als Farce bezeichnet werden. Das arrogant anmutende, komplette Ignorieren der in dem Offenen Brief angeführten Aspekte disqualifiziert aus unserer Sicht den Verfasser, auch nur ansatzweise mit einer solchen Bitte an uns als Fachgesellschaft heranzutreten. Dementsprechend sind wir dieser Bitte selbstverständlich nicht gefolgt. Vielmehr ist es uns ein Anliegen, potenzielle Bewerber*innen darauf hinzuweisen, dass wir uns die Frage stellen, wie auf einer solchen Grundlage „klinische Pflegeforschung“ und pflegewissenschaftliches Arbeiten sowie interprofessionelle Versorgungsforschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Jena in Zukunft gelingen soll. Der Brief drückt mehr als deutlich das hierarchische Denken des Verfassers und somit offensichtlich der Medizinischen Fakultät aus. Es bleibt unklar, wie dieses Verständnis mit einer wissenschaftlichen Disziplin und interprofessioneller, moderner Patient:innenversorgung in Einklang zu bringen ist.

Sollte die ausgeschriebene Professur im Rahmen einer öffentlichen Förderung eingerichtet worden sein, fordern wir die Förderer auf, zu prüfen, inwieweit die Passung der Institution und die Konzeption der geförderten Position den angestrebten Förderzielen entsprechen.

Prof. Dr. Sascha Köpke

für den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V. (DGP)

Prof. Dr. Johannes Gräske

Vorstand Bundesdekanefonferenz Pflegewissenschaft gem. e.V. (BDK)

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