Die Akademisierung von Pflegefachpersonen muss dringend gefördert werden. Die seit Jahren gebetsmühlenartig wiederholte Quote von 10-20% Absolvent:innen eines Ausbildungsjahrgangs mit einem Bachelor-Abschluss, der zur unmittelbaren Tätigkeit am Patienten befähigt, wird bei weitem nicht erreicht. Im Gegenteil geht die Zahl Pflegender mit akademischer Qualifikation in der Praxis zurück. Auch die ebenfalls vom Wissenschaftsrat (WR) empfohlene Etablierung von Pflegestudiengängen an medizinischen Fakultäten verläuft schleppend.

Vor diesem Hintergrund begrüßt der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP), dass sich das Uniklinikum Jena der Friedrich-Schiller-Universität Jena entschlossen hat, eine pflegewissenschaftliche Professur auszuschreiben, mit dem ausgewiesenen Ziel einen „Studiengang Pflegewissenschaft/Intensivpflege“ aufzubauen (https://berufungsportal.uni-jena.de).

Mit äußerstem Befremden nehmen wir jedoch zur Kenntnis, dass für eine Bewerbung exklusiv „ein abgeschlossenes Studium der Gesundheitswissenschaften oder der Humanmedizin“ vorausgesetzt wird. Es stellt sich für uns die Frage, wie es möglich sein kann, im Jahr 2022 nicht etwa ein Studium der Pflegewissenschaft, sondern Disziplin-fremde Fächer für eine Professur mit der ausdrücklichen Denomination „Pflegewissenschaften (sic!)“ vorauszusetzen? Dass die Pflegewissenschaft eine eigenständig Wissenschaftsdisziplin ist und daher nicht in der Mehrzahl vorkommt, wie andere Disziplin-verbindende Fächer (z.B. die Neurowissenschaften), ist den Verfasser:innen der Ausschreibung offensichtlich ebenso wenig bewusst wie die Tatsache, dass es sich bei der erwarteten Entwicklung „der Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt in der Intensivmedizin“ um eine Kontradiktion handelt.

Die Formulierung der Stellenausschreibung lässt vermuten, dass die Pflegewissenschaft von den Verfasser:innen offensichtlich als Nebenzweig der Medizin betrachtet wird, der vorrangig von Mediziner:innen oder ggf. von Gesundheitswissenschaftler:innen vertreten werden kann.

Dieser Einschätzung widersprechen wir als pflegewissenschaftliche Fachgesellschaft sowie als Bundesdekanekonferenz Pflegewissenschaft entschieden. Wir halten die Besetzung einer pflegewissenschaftlichen Professur ohne entsprechende pflegewissenschaftliche Qualifikation für inakzeptabel und fordern eine entsprechende Stellungnahme und Klarstellung durch die Medizinische Fakultät der Universität Jena.

Für eine Beratung den weiteren Prozess der Ausschreibung betreffend, stehen wir gerne zur Verfügung.

Prof. Dr. Sascha Köpke
für den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V. (DGP)

Prof. Dr. Johannes Gräske
Vorstand Bundesdekanefonferenz Pflegewissenschaft gem. e.V. (BDK)

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