Die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) unterstützt die Forderungen des DNEbM und des DBfK nach einer systematischen pflegewissenschaftlichen Forschung zum Infektionsgeschehen unter COVID-19 in Alten-und Pflegeheimen und anderen Langzeitpflegesettings.
Im Angesicht der COVID-19-Krise wurden zurecht Milliarden an Forschungsgeldern ausgeschüttet. Die wenigen Projekte im besonders stark betroffenen Bereich der Langzeitpflege mussten jedoch meist ohne Förderung durchgeführt werden. Diese Projekte haben erste wichtige Erkenntnisse zur Versorgungssituation in der Langzeitpflege hervorgebracht, dennoch ist das Wissen zur Situation und den Rahmenbedingungen in der Langzeitpflege auch im vierten Quartal der COVID-19 Krise lückenhaft.
Empfehlungen für diesen Bereich beruhen angesichts fehlender Daten meist auf Annahmen und Expertenkonsens. Bewohner*innen, Angehörige und Mitarbeiter*innen der Einrichtungen fühlen sich zu recht alleingelassen und hilflos. Auf die berechtigte Sorge vor einem Krankheitsausbruch und damit verbundenen schwer erkrankten Bewohner*innen kann angesichts fehlenden Wissens kaum angemessen reagiert werden. Dies führt zu lokal unangemessenen Strategien wie der Anwendung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen oder Besuchsverboten als vermeintlich „letzte Option“.
Die DGP hat mit der von ihr herausgegebenen S1-Leitlinie: „Soziale Teilhabe und Lebensqualität in der stationären Altenhilfe unter den Bedingungen der Covid-19 Pandemie“ einen ersten wissenschaftlichen Beitrag zur Unterstützung der Versorgung geleistet, eine weitere S1-Leitlinie für den ambulanten Langzeitpflegebereich wird in Kürze erscheinen. Diese Empfehlungen nun datenbasiert weiterentwickeln zu können, und somit einen Beitrag zur Optimierung der Versorgungssituation zu leisten, ist das erklärte Ziel der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft.
Die in Deutschland zur Verfügung stehende pflegewissenschaftliche Expertise wird im Rahmen der Bewältigung der COVID-19-Krise zu selten konsultiert. Symptomatisch erscheint hierbei, dass der Krisenstab bei der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) mit hochrangingen Wissenschaftler*innen besetzt wurde, aber ohne explizit pflegewissenschaftliche Expertise. Auch nach Insistieren u.a. durch die DGP, wurde dies nicht geändert.
Wir fordern daher Förderinstitutionen wie DFG, BMG und BMBF auf, unter Leitung erfahrender Pflegewissenschaftler*innen und idealerweise unter Schirmherrschaft der DGP Forschung zur Situation von Menschen mit Pflegebedarf in Langzeitpflegesettings angemessen zu fördern, damit bald zuverlässige Daten zur Häufigkeit von Infektionen und deren Folgen sowie zu den Bedingungen und zum Umgang mit der COVID-19-Krise vorliegen.
Duisburg, den 11.12.2020
Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft
- Prof. Dr. Renate Stemmer
- Prof. Dr. Erika Sirsch
- Prof. Dr. Christa Büker
- Dr. Bernhard Holle
- Prof. Dr. Sascha Köpke