Artikel Pflege & Gesellschaft 1/2023
Wie kommt die KI in die Pflege – oder umgekehrt? Drei Probleme bei der Technikgenese von Pflegetechnologien und ein Gegenvorschlag
Arne Maibaum, Andreas Bischof, Jannis Hergesell
28. Jahrgang 1 (2023) Seite 7 – 23 ISSN 1430-9653
How does A.I. get into care – or vice versa? Three problems in the genesis of care technologies and a counterproposal
In this article, we reconstruct, against the background of empirical studies, how the genesis of care technologies proceeds in terms of sociology of innovation and technology. We show three cases in which care and technology are made available to each other – in terms of innovation policy, terms of the logic of technology development, and in terms of care as a social field. Our analysis shows the ways in which care technologies, especially care robots, are linked to promises of a ’technological fix‘ from the outset, and how this feeds into the development of new technologies and into care. We end with a counter-proposal in favor of participation and professionalization to prevent technologies currently discussed under the term ’artificial intelligence’ from inevitably meeting the same demise, despite this discursive similarity.
Keywords
A. I., Robotics, Nursing Technology, Science and Technology Studies, Technology Development, Innovation.
In diesem Artikel rekonstruieren wir vor dem Hintergrund von empirischen Studien, wie die Genese von Pflegetechnologien innovations- und techniksoziologisch funktioniert. Wir zeigen drei Momente in der Technikentwicklung, in denen Pflege und Technologien füreinander verfügbar gemacht werden – in der innovationspolitischen Förderung, in der Logik der Technikentwicklung und mit Blick auf Pflege als soziales Feld. Unsere Analyse zeigt die mit Pflegetechnologien, besonders die Pflegeroboter, von Beginn an mit Lösungsversprechen des eins ‚technological fix’ verknüpft sind und wie dies in die Entwicklung von neuen Technologien und in die Pflege hineinwirkt. Wir enden mit einem Gegenvorschlag zur Partizipation und Professionalisierung der Pflege, um zu verhindern, dass Technologien, die derzeit unter dem Begriff „Künstliche Intelligenz“ diskutiert werden, müssen trotz ihrer diskursiven Verwandtschaft nicht zwangsläufig dasselbe Schicksal erleiden.
Schlüsselwörter
KI, Robotik, Pflegetechnologie, Science and Technology Studies, Technologie Entwicklung, Innovation
Reflexionen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Pflege aus der Perspektive Humanistischer Psychologie nach Erich Fromm
Thomas Kühn
28. Jahrgang 1 (2023) Seite 23 – 41 ISSN 1430-9653
Reflections on the use of artificial intelligence in nursing from the perspective of humanistic psychology
In this article, the significance of artificial intelligence (AI) is examined from the perspective of humanistic psychology. A special focus is placed on the seminal work of Erich Fromm. By way of introduction, it will be shown why the topic of AI in nursing is relevant from both a nursing science and a psychological perspective. Subsequently, critical perspectives are first elaborated that address the dangers of the increased use of AI for nursing and society. Possible negative consequences for nursing such as a change in normative standards and increasing de-humanization are pointed out. However, AI can also be seen as a beacon of hope and provide support for people’s lifelong identity work. Opportunities and risks for identity work are discussed using a model regarding the dimensions of authenticity/coherence, belonging/recognition, and control/autonomy. Finally, a short summary is drawn, emphasizing the importance of bringing social science-based knowledge into political discourses and technology development.
Keywords
Artificial Intelligence, Nursing, Humanistic Psychology, Identity, Identity Work, Critical Psychology, Hope, Fromm
In diesem Artikel wird die Bedeutung Künstlicher Intelligenz (KI) aus der Perspektive humanistischer Psychologie beleuchtet. Ein besonderer Fokus wird dabei auf das wegweisende Werk von Erich Fromm gelegt. Einleitend wird aufgezeigt, warum das Thema KI in der Pflege sowohl aus einer pflegewissenschaftlichen als auch psychologischen Perspektive relevant ist. Im Anschluss werden zunächst kritische Perspektiven herausgearbeitet, die sich den Gefahren des verstärkten Einsatzes von KI für Pflege und Gesellschaft widmen. Dabei wird auf möglich negative Folgen für die Pflege wie z. B. eine Veränderung normativer Standards und eine zunehmende De-Humanisierung hingewiesen. Allerdings kann KI auch als ein Hoffnungsträger angesehen werden und Unterstützung für die lebenslange Identitätsarbeit von Menschen bieten. Chancen und Risiken für die Identitätsarbeit werden anhand eines Modells hinsichtlich der Dimensionen Authentizität/Kohärenz, Zugehörigkeit/Anerkennung sowie Kontrolle/Autonomie diskutiert. Abschließend wird ein kurzes Resümee gezogen, in dem die Wichtigkeit betont wird, das sozialwissenschaftlich verankerte Wissen in politische Diskurse und Technikentwicklung einzubringen.
Schlüsselwörter
Künstliche Intelligenz, Pflege, Humanistische Psychologie, Identität, Identitätsarbeit, Kritische Psychologie, Hoffnung, Fromm
Die Anwesenheit von Menschen. Eine kritische Auseinandersetzung mit KI und ein Plädoyer für eine lebendige Pflege
Lola Maria Amekor
28. Jahrgang 1 (2023) Seite 41 – 56 ISSN 1430-9653
The presence of humans. A critical examination of AI and a plea for living care
Artificial intelligence (AI) seems like the solution to the problem of the care crisis. With its help, fewer caregivers could care for more people in need. AI could help minimise walking distances, activate and could be seen as a way out of isolation and loneliness. But people long for responsive world-relationships (Rosa 2016). The presence of people has an effect and occasions for encounters are also opportunities for resonance in living care, which stand for care that is worthy of human beings. The meaningful use of technology in care can only take place on the basis of a fully defined care that, in addition to measurable activities, also includes non-measurable, invisible care work in such a convincing way that it is also reflected in staffing levels.
Keywords
AI, corporeality, resonance, presence of people, occasions of encounter
Künstliche Intelligenz (KI) wirkt wie die Lösung für das Problem des Pflegenotstandes. Mit deren Hilfe könnten weniger Pflegefachpersonen mehr Pflegebedürftige versorgen. KI könnte helfen, Laufwege zu minimieren, zu aktivieren und könnte als ein Ausweg aus Isolation und Einsamkeit gesehen werden. Doch Menschen sehnen sich nach antwortenden Weltenbeziehungen (Rosa 2016). Die Anwesenheit von Menschen hat eine Wirkung und Begegnungsanlässe sind in einer lebendigen Pflege auch Resonanzmöglichkeiten, die für eine menschenwürdige Pflege stehen. Der sinnvolle Einsatz von Technik in der Pflege kann nur erfolgen auf der Grundlage einer vollständig definierten Pflege, die neben messbaren Tätigkeiten auch nicht Messbares, nicht sichtbare Carearbeit so überzeugend einbezieht, dass sie sich auch in Personalbemessungen niederschlägt.
Schlüsselwörter
KI, Leiblichkeit, Resonanz, Anwesenheit von Menschen, Begegnungsanlässe
Der Einsatz neuer Technologie (Mobility Monitor) zur Reduzierung des Dekubitusrisikos in der Intensivpflege: Eine Einschätzung aus Sicht der Mitarbeitenden
Jonas Schäfer, Isabelle Hempler, Malgorzata Schlöffel, Johanna Feuchtinger, Sven Ziegler, Erik Farin-Glattacker
28. Jahrgang 1 (2023) Seite 57 – 72 ISSN 1430-9653
The use of new technology (Mobility Monitor) to reduce the risk of pressure ulcers in intensive care: an evaluation from the staff’s perspective
The beds of a neurological and a neurosurgical intensive care unit were equipped with an integrated bed sensor system – the Mobility Monitor (MoMo) – which records movements, among other functions. In order to examine the assessment of the use of the MoMo from the point of view of the various staff members, data was collected within the framework of a one-time training survey, using online surveys and with the help of semi-structured interviews over a period of six months. Employees from medical and therapeutic care, nursing and care assistance were interviewed. The results of the survey show that the participants consider the use of the MoMo useful but are rather sceptical about its use in the ICU. At the beginning of the study, they state that they do not expect any support in terms of facilitation of their work with the MoMo in the ICU. Many of the participants felt well informed about the project at the beginning.
Keywords
pressure ulcer prevention, pressure ulcer prevention, technology acceptance
Die Betten einer neurologischen und einer neurochirurgischen Intensivstation wurden mit einer integrierten Bettsensorik – dem Mobility Monitor (MoMo) – ausgerüstet, der u. a. Bewegungen aufzeichnet. Um die Einschätzung aus Sicht der verschiedenen Mitarbeitenden zum Einsatz des MoMo zu untersuchen, fanden Datenerhebungen im Rahmen einer einmaligen Schulungsbefragung, durch Online-Befragungen sowie mithilfe ergänzender Einzelinterviews über einen Zeitraum von sechs Monaten statt. Befragt wurden Mitarbeitende aus der ärztlichen und therapeutischen Versorgung, der Pflege sowie der Versorgungsassistenz. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Teilnehmenden den Einsatz des MoMo nützlich ansehen, dem Einsatz auf der Intensivstation jedoch eher skeptisch gegenüberstehen. Zu Beginn der Studie geben sie an, keine Unterstützung hinsichtlich einer Arbeitserleichterung durch den MoMo auf der Intensivstation zu erwarten. Die Mehrheit der Teilnehmenden fühlten sie sich zu Beginn des Einsatzes gut über das Projekt informiert.
Schlüsselwörter
Dekubitusprävention, Dekubitusprophylaxe, Technologieakzeptanz, Mobility Monitor
Die Bedeutung emotionaler und kognitiver Dimensionen im Beziehungsabbruch zwischen Menschen mit Demenz und nicht-pflegenden Angehörigen. Eine Sekundäranalyse qualitativer Interviews mit nicht-pflegenden Angehörigen
Tobias A. Müller
28. Jahrgang 1 (2023) Seite 73 – 83 ISSN 1430-9653
The role of emotional and cognitive dimensions in social bond disruption between people with dementia and significant others that do not provide care – a secondary analyses of qualitative interviews with significant others
This article investigates social bond disruption between people with dementia and significant others that do not provide care. Social bond disruption can have negative consequences for people with dementia. The study aims on analyzing the role of personality for the disruption of social bonds. The study uses existing already existing transcripts (Müller, 2019). Furthermore an existing typology regarding changes in relationships between significant others that do not provide care and people with dementia should be validated and specified. The data derived from a linguistic research conducted with 27 people using the Linguistic Inquiry and Word Count. The analysis allows to extract emotional and cognitive dimensions and to use them as indicators for the people’s personalities. The personalities are then compared to the type of change in the social relationship towards the person with dementia. The results indicate that situational factors play a more important role than personality considering the disruption of socials bonds between these two groups. Furthermore the results show that significant others that do not provide care and who are still close to the person with dementia are more prone to emotional stress than significant others that experienced an ending to their relationship to the person with dementia.
Keywords
dementia, significant others, social bonds, cognition, emotion
Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit dem Beziehungsabbruch zwischen Menschen mit Demenz und nicht-pflegenden Angehörigen. Dieser Beziehungsabbruch kann mit negativen Folgen für den Menschen mit Demenz verbunden sein. Ziel der Untersuchung ist, die Bedeutung der Persönlichkeitseigenschaften eines nicht-pflegenden Angehörigen für den Beziehungsabbruch einzuschätzen. Dafür wird auf Interviewtranskripte von Müller (2019) zurückgegriffen. Zusätzlich wird die Validierung und Schärfung einer bestehenden Typisierung der Beziehungsveränderung zwischen den Menschen mit Demenz und den nicht-pflegenden Angehörigen vorgenommen. Auf Basis einer linguistischen Analyse mit dem Linguistic Inquiry and Word Count werden emotionale und kognitive Dimensionen als Hinweise auf Persönlichkeitseigenschaften von 27 Personen herausgearbeitet und in Beziehung zu dem Typus der Beziehungsveränderung dieser Person als nicht-pflegenden Angehörigen zu einem Menschen mit Demenz gestellt. Die Ergebnisse legen eine größere Bedeutung der situativen Umstände statt der Persönlichkeit für den Beziehungsabbruch nahe. Zudem wurden Hinweise auf eine höhere emotionale Belastung von nicht-pflegenden Angehörigen herausgestellt, die weiterhin in Beziehung zu einem Menschen mit Demenz stehen.
Schlüsselwörter
Demenz, Beziehungsabbruch, Angehörige, Emotionen, Kognitionen
Artikel Pflege & Gesellschaft 2/2023
Gesundheitsorientierter Personaleinsatz in der ambulanten Pflege – mehr Mut zu strukturellen Veränderungen
Lena Marie Wirth, Andreas Büscher, Manfred Hülsken-Giesler
28. Jahrgang 2 (2023) Seite 107 – 120 ISSN 1430-9653
Health-oriented personnel deployment in outpatient care – more courage for structural changes
Now and in the future home and community based care represents one of the basic pillars in sustaining the care of an aging society in Germany. However, there are only few studies on healthy working conditions in home environments or on working routes. This article presents explorative results from a research project dedicated to a health-oriented personnel deployment. The project was conducted by the Osnabrück University of Applied Sciences and the University of Osnabrück, funded by the Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Results were derived from structured expert interviews and a workshop. They refer to findings in the areas of: planning and reimbursement of professional-formal home care work; care allowances, working conditions, further education and training, leadership as well as professional freedom and societal mistrust. Finally, the authors present impulses for further discussion and research, which address encouragement for structural change.
Keywords
home and community based care, health orientation, personnel deployment, working conditions, structural change
Das Handlungsfeld der ambulanten Pflege stellt heute und zukünftig eine tragende Säule der nachhaltigen Versorgung einer alternden Gesellschaft in Deutschland dar. Forschungsarbeiten zur Gewährleistung von gesunden Arbeitsbedingungen in der ambulanten Versorgung oder den dabei anfallenden Arbeitswegen gibt es jedoch nur wenige. Dieser Beitrag stellt ausgewählte explorative Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt vor, welches sich einem gesundheitsorientierten Personaleinsatz in der ambulanten Pflege widmet. Durchgeführt wurde das Projekt von der Hochschule Osnabrück und der Universität Osnabrück, und es wurde gefördert durch die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Die auf der Basis von leitfadengestützten Interviews und einem Workshop generierten Projektergebnisse beziehen sich auf Erkenntnisse in den Bereichen: Planung und Finanzierung beruflich-formeller, ambulanter Pflegearbeit, Pflegegeld, Arbeitsbedingungen, Fort- und Weiterbildung, Führung sowie professionelle Freiheit und gesellschaftliches Misstrauen. Abschließend stellen die Autor_innen ausgewählte Diskussions- und Forschungsimpulse vor, die allesamt mehr Mut zu strukturellen Veränderungen adressieren.
Schlüsselwörter
Ambulante Pflege, Gesundheitsorientierung, Personaleinsatz, Arbeitsbedingungen, strukturelle Veränderungen
Gewalt in der ambulanten Pflege: Prävalenz, Antezedenzien und gesundheitliche Auswirkungen. Ergebnisse einer Online-Befragung
Julia Petersen, Marlen Melzer
28. Jahrgang 2 (2023) Seite 121 – 136 ISSN 1430-9653
Violence in home care nursing: prevalence, antecedents, and health consequences: Results of an online survey
Violence in the work context is a significant topic in occupational safety and health, and an important psychosocial risk factor for home care nurses (HCN). Since they usually carry out their work alone and in the private residences of the people they care for, they are particularly at risk of becoming victims of violence. To date, there is only scarce knowledge of the prevalence and correlates of experienced violence in home care nursing. Therefore, in 2022 we carried out a nationwide online survey (n = 972) focusing e.g. on the frequency of experienced conflicts, verbal and physical violence or sexual harassment originating from care recipients as well as attendants. Regression analyses showed that emotional demands, work-life conflicts, and in particular the work environment increase the risk of violent incidents towards HCN. With regard to organizational characteristics the data show that disruptions and interruptions, nurses’ lack of knowledge about shift assignments before going on duty, and the lack of opportunities for further development in the nursing service are risk factors for incidents of violence. The more frequent verbal, physical, and sexual assaults are experienced, the worse HCN rate their health and the more likely are they for reporting burnout symptoms. Preventive measures to obviate violence in home care nursing must have high priority for home care services, associations and politicians.
Keywords
Home care nursing, home care, home care services, violence, health, occupational safety and health
Gewalt im Arbeitskontext ist ein bedeutsames Thema im Arbeitsschutz und ein wichtiger psychosozialer Risikofaktor für ambulant Pflegende. Da diese ihre Arbeitstätigkeit i. d. R. allein und in den privaten Wohnungen der zu Pflegenden ausüben, sind sie mit Bezug auf Gewaltereignisse am Arbeitsplatz besonders gefährdet. Bislang gibt es nur wenige Erkenntnisse hinsichtlich der Prävalenz und den Zusammenhängen von Gewalterfahrungen in der ambulanten Pflege. Im Rahmen einer 2022 durchgeführten Online-Befragung (n=972) wurden daher u. a. die Häufigkeit von erlebten Konflikten, verbaler und körperlicher Gewalt und sexueller Belästigung sowohl von Pflegebedürftigen als auch deren Angehörigen ermittelt. Regressionsanalysen zeigen, dass emotionale Anforderungen, Konflikte zwischen Arbeit und Privatleben und Arbeitsumgebungsfaktoren das Risiko von erlebten Gewaltereignissen erhöhen. Zudem sind Organisationsmerkmale, wie Störungen, die Unkenntnis der Pflegenden über die Schichtzuteilung vor Dienstbeginn und fehlende Möglichkeiten zur Weiterentwicklung Risikofaktoren für Gewaltereignisse. Je häufiger verbale, physische und sexuelle Übergriffe erlebt werden, desto schlechter schätzen ambulant Pflegende ihre Gesundheit ein und desto eher berichten sie Burnout-Symptome. Primärpräventive Maßnahmen müssen deshalb einen hohen Stellenwert für Pflegedienste, Verbände, und Politik erhalten.
Schlüsselwörter
Ambulante Pflege, Pflegedienste, Gewalt, Gesundheit, Arbeitsschutz
Ein Netzwerk der Sorge flechten – Der Einsatz assistiver Technologien in regionalen Versorgungsnetzwerken für Menschen mit Demenz
Nora Weinberger, Bettina-Johanna Krings, Michael Decker, Stefanie Wiloth, Johannes Eurich
28. Jahrgang 2 (2023) Seite 137 – 152 ISSN 1430-9653
Creating a network of care – The use of assistive technologies in regional care networks for people with dementia
Due to the correlation between a steadily growing proportion of people in need of care due to old age and the growing pressure on the institutionalized setting of the care and nursing system, the establishment of innovative and new types of care concepts has also been called for politically in recent years. At the same time, the use of technologies in regional and neighborhood-based care networks is called for as an important solution to the precarious care situation. However, it is still largely unclear how and in what way technical possibilities can be used in a targeted manner in interaction with care networks and which technologies are already being used for network formation and/or care and how these, as well as visionary technologies, are evaluated by the respective users. This question was empirically investigated in an interdisciplinary research project with a view to the aging society and the spread of dementia as growing global problems. The results show that the implementation of assistive technology within these networks falls short of policy expectations and recommendations in practice. A successful and sustainable implementation of assistive technologies in care networks studied still seams a long way off, but it could take over key function. Here – and the results also illustrate this – there is a lack of socio-technical visions of complex care networks.
Keywords
Outpatient care, people with dementia, care networks – assistive technologies, technology assessment
Aufgrund des Zusammenhangs zwischen einem stetig wachsenden Anteil altersbedingt Pflegebedürftiger und dem wachsenden Druck auf das institutionalisierte Setting des Versorgungs- und Pflegesystems, wird seit einigen Jahren die Etablierung innovativer und neuartiger Versorgungskonzepte gefordert. Zugleich wird als eine wichtige Lösung der prekären Pflegesituation der Einsatz von Technologien in regionalen und quartiersbezogenen Versorgungsnetzwerken eingefordert. Offen ist allerdings noch weitestgehend, wie und auf welche Weise technische Möglichkeiten im Zusammenspiel mit Versorgungsnetzwerken zielgerichtet eingesetzt werden können und welche Technologien zur Netzwerkbildung und/oder zur Pflege bereits eingesetzt werden und wie diese von den jeweiligen Nutzern bewertet werden. Diese Frage wurde in einem interdisziplinär ausgelegten Forschungsprojekt mit Blick auf die alternde Gesellschaft und die Verbreitung von Demenz als wachsende globale Probleme empirisch untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Umsetzung von assistiver Technologie innerhalb dieser Netzwerke in der Praxis hinter den Erwartungen und Empfehlungen der Politik zurückbleibt. Eine erfolgreiche und nachhaltige Implementierung von assistiver Technologie in Versorgungsnetzwerken scheint noch in weiter Ferne, diese könnte jedoch wichtige Funktionen übernehmen. Hier – und das machen die Ergebnisse auch deutlich – fehlt es jedoch an sozio-technischen Visionen komplexer Pflegenetzwerke.
Schlüsselwörter
Ambulante Pflege, Menschen mit Demenz, Versorgungsnetzwerke, Assistive Technologien, Technikbewertung
Studierendengerechte Praxisanleitung im Pflegestudium: Wie werden aktuelle Praxisanleitungen bewertet?
Tara M. Partetzke, Margit Haas, Heike Spaderna
28. Jahrgang 2 (2023) Seite 153 – 170 ISSN 1430-9653
Do practical instructions meet the needs of academic nursing students – an evaluation of current instructions practice
Background: Academic nursing programs prepare students to carry out highly complex and scientifically based nursing procedures in interdisciplinary teams. Clinical nurse educators (CNEs) represent the central link between theory and nursing practice. However, only a small proportion of the current CNEs obtain a university degree. Objective: The aim of this study is to explore to what extent preceptorship in clinical practice clinical practice meets students’ needs and whether or not CNE are in need of further training. Method: In a cross-sectional online survey, 17 dual university students and 39 CNEs working in hospitals were asked whether practical instructions for students and trainees differed from each other. Participants also rated the quality of and their satisfaction with the practical instructions and assessed nurse educators’ need for additional training. Results: CNEs do not differentiate between trainees and students in preceptorships. CNEs assess the quality of instruction significantly better than students (U = 125, p = .001). One third of the students are (rather) dissatisfied with their instructions. A need for additional training was observed. Conclusion: The results of this study suggest that it is necessary to develop, implement and evaluate further trainings for current CNEs.
Keywords
nursing studies; practical instruction; post-qualification; satisfaction; quality; clinical nurse educators; students; academization of nursing
Hintergrund: Im Pflegestudium sollen Studierende befähigt werden, komplexe Pflegeprozesse in interprofessionellen Teams wissenschaftlich fundiert umzusetzen. Praxisanleitende (PA) stellen die zentrale Schnittstelle zwischen Theorie und Pflegepraxis dar. Allerdings ist nur ein geringer Anteil der PA hochschulisch qualifiziert. Absicht: Diese Studie untersucht, inwieweit die Praxisanleitungen studierendengerecht gestaltet sind und ob ein Nachqualifizierungsbedarf bei den PA besteht. Methode: In einer querschnittlichen Online-Befragung wurden 17 dual Studierende und 39 in Kliniken tätige PA befragt, ob sich der praktische Unterricht bei Studierenden und Auszubildenden unterscheidet. Die Befragten bewerteten die Qualität und Zufriedenheit mit den aktuell durchgeführten Praxisanleitungen und den Nachqualifizierungsbedarf. Ergebnisse: Bei den Praxisanleitungen wird nicht zwischen Auszubildenden und Studierenden differenziert. PA beurteilen die Anleitungsqualität signifikant besser als die Studierenden (U = 125, p = .001). Ein Drittel der Studierenden sind mit den Praxisanleitungen (eher) unzufrieden. Es besteht Nachqualifizierungsbedarf. Schlussfolgerung: Um studierendengerechte Praxisanleitungen zu gewährleisten scheint es sinnvoll, eine Nachqualifizierungsmaßnahme für PA zu entwickeln, einzuführen und zu evaluieren.
Schlüsselwörter
Pflegestudium; Praxisanleitung; Nachqualifizierung; Zufriedenheit; Qualität; Praxisanleitende; Studierende; Akademisierung der Pflege